Editorial

Editorial November/Dezember 2017

Die Blockchain-Technologie

Prof. Dr. Philipp Sandner, Leiter des Frankfurt School Blockchain Center

Prof. Dr. Philipp Sandner leitet das Frankfurt School Blockchain Center an der Frankfurt School of Finance & Management, welches im Februar 2017 initiiert wurde. Zu den Themengebieten von Herrn Prof. Dr. Sandner gehören Blockchain, Kryptowährungen, Digitalisierung und Entrepreneurship. Herr Prof. Dr. Sandner ist im FinTechRat des Bundesministerium der Finanzen. 

Bitcoin als Ursprung der Blockchain-Technologie

Bitcoin wird derzeit sehr kontrovers diskutiert. Es handelt sich um eine so genannte Kryptowährung, die seit 2008 existiert. Mit dem Konzept für Bitcoin wurde damals auch die Blockchain-Architektur erfunden. Dabei handelt es sich um eine IT-Architektur, mit der Wert elektronisch transferiert werden kann – und zwar direkt über das Internet ohne eine zentrale Infrastruktur. Teilweise wird von „digitalem Gold“ gesprochen. Bitcoin hat mit ca. 80 Milliarden US-Dollar mittlerweile eine ebenso hohe Marktkapitalisierung die DAX-Konzerne Daimler oder BASF.

Bitcoin hat sich seit dem weiterentwickelt. Es existieren nunmehr über 900 so genannte Kryptowährungen mit unterschiedlichen Zielsetzungen. Zumeist haben diese die Bitcoin-Technologie als Ursprung, wurden jedoch signifikant weiterentwickelt. Im Hintergrund steckt die Blockchain-Technologie, die in der Lage ist über weltweite Computernetzwerke Informationen zwischen tausenden von Computern zu synchronisieren. Kern der Technologie ist, dass sich die Computer im Netzwerk auf eine einheitliche Vergangenheit einigen. Damit ist vor allem gemeint, dass Konsens darüber herrscht, welche Teilnehmer des Netzwerks welche Transaktionen ausgeführt haben. Damit ist auch möglich, zu ermitteln, welcher Teilnehmer welche Vermögensgegenstände besitzt (also, wie viele Bitcoins jeder Teilnehmer besitzt).

Diese einheitliche Vergangenheit ist ein zentraler Punkt. Denn wenn kein Dissens zwischen den Teilnehmern existiert, können durch die zugrundeliegende Technologie eindeutige Eigentumsverhältnisse an knappen Gütern bestimmt werden. Die Blockchain-Technologie eignet sich damit zur Verwaltung aller Art von Eigentumsverhältnissen. Bitcoins – und welcher Teilnehmer wie viel Bitcoins besitzt – ist damit nur ein Beispiel. Weltweit arbeiten Unternehmen daran, auch andere Eigentumsverhältnisse durch die Blockchain-Technologie abzubilden: z.B. Wertpapiere oder Grundstücke.

Direkte Transaktionen ohne Intermediäre

Wenn wir heutzutage E-Mails zwischen Freunden, Bekannten und Geschäftspartnern austauschen, so geschieht dies direkt über das Internet ohne Einschaltung eines zentralen Intermediärs wie es die Deutsche Post einmal war, um Informationen per Brief und Briefmarke zu übermitteln. E-Mails erreichen den Empfänger direkt und elektronisch. Mittels Blockchain-Technologie lassen sich Werte übermitteln, ebenfalls ohne Intermediäre und ohne Finanzinfrastruktur. Direkt von einem Absender zum Empfänger. Daher müssen sich Intermediäre wie Banken, Börsen, Venture Capital-Geber oder Vermögensverwalter mit der Technologie beschäftigen, um ihr Geschäftsmodell auf neue Chancen aber auch auf die Risiken auszurichten. 

Internationale Geschäftsprozesse – per Blockchain abgewickelt

Bei Bitcoin geht es darum, dass der Besitz an Bitcoins eindeutig verwaltet wird. Der Besitz von Bitcoins ist das Resultat von Transaktionen. Bildlich gesprochen geht es darum, Überweisungen weltweit so schnell wie möglich auszuführen. Richtig spannend wird es aber, wenn derartige Transaktionen an Bedingungen geknüpft werden: Ein Zahlungsvorgang soll nur dann ausgeführt werden, wenn bestimmte Bedingungen vorliegen. Wenn etwa eine Frachtlieferung an einem Logistikzentrum eintrifft, so soll automatisch eine Zahlung an den Lieferanten ausgelöst werden – aber nur dann, wenn diese Bedingung der eingetroffenen Ware eingetreten ist. Damit lassen sich komplette Ökosysteme schaffen, die sowohl die Leistung (also die Lieferung) als auch die Gegenleistung (also die Bezahlung) in einem System integrieren. In einer solchen Welt existieren nicht Logistikdienstleister (für die Lieferung) getrennt von Banken (für die Bezahlung). Stattdessen findet alles in einem System statt. Aufwändige Prozesse die aufgrund von Lieferscheinen, Buchhaltung und Verträgen Medienbrüche besitzen werden in ein System verschmolzen.

Die Kryptowährung Ethereum bietet hierfür etwa die entsprechende Plattform an. Damit lassen sich Zahlungsprozesse bedingungsabhängig abwickeln, was im Jargon „Smart Contract“ genannt wird. Damit ist auch klar, dass das Wort „Kryptowährung“ an sich der falsche Begriff ist. Ethereum besitzt derzeit eine Marktkapitalisierung von ca. 30 Milliarden US-Dollar also so viel wie etwa Beiersdorf oder die Deutsche Bank. Bei Ansätzen wie Ethereum handelt es sich aber mitnichten um eine Währung, sondern eher um eine Art weltweite Plattform für Geschäftsprozesse. Insofern ist das Wort „Digital Assets“ vielsagender. Damit wird auch deutlich, dass es sich bei einer Vielzahl der 900 Kryptowährungen, die zumeist aus der Bitcoin-Architektur abgeleitet wurden, nicht um Währungen handelt, sondern um sehr innovative Ansätze, die teils auch von Startups vorangetrieben werden. Das Wort „Kryptowährung“ verstellt hier den Blick auf die zugrundeliegende radikale Innovation der zahlreichen Ansätze, die oftmals im Kern Fintech-Startups sind.